Thilo Bock: Indirekt ins Gesicht gespuckt

Manchmal fressen wir literweise Bohnensuppe und gehen dann in Markenmodeshops, wo wir alle Hosen anziehen, die uns einigermaßen passen, sie bei den Damen, ich bei den Herren, und die furzen wir dann voll. Anschließend hängen wir die Hosen wieder an die Ständer und kehren vergnügt heim. Es ist befriedigend, sich auszumalen, dass in nicht allzu ferner Zukunft Markenklamottenkäufer in Hosen herumlaufen werden, die wir vollgepupst haben.

Manchmal sammeln wir einen ganzen Tag lang Steine, packen diese in eine Kiste, bringen sie zur Post und adressieren sie an uns selber, nur um einmal zu erleben, wie es ist, wenn jemanden der Atem stockt, weil er etwas für einen getan hat. Und wenn der Bote wieder zu Puste gekommen ist, fragen wir ihn, ob denn auch er ein Backsteinabo hat oder ob wir ihn vielleicht werben könnten, wir würden die Prämientüte Kieselsteine auch mit ihm teilen. Die meisten brauchen eine Weile, um das mit den Backsteinen zu verstehen. Das macht sie in der Regel sprachlos. Und sprachlose Menschen sind einfach schön und wirken fast vornehm in dieser geschwätzigen Zeit.

Manchmal gehen wir in den Copyshop. Wir kopieren dann einen Stapel leerer Seiten und fragen anschließend den studentischen Angestellten, ob der Toner alle sei. Das ist meistens ein sehr kurzer Spaß, der zu allem Überfluß mit akuter Unfreundlichkeit endet. Nur einmal hat sich ein hübscher Junge mit dicker Brille die Mühe gemacht, das halbe Gerät auseinanderzunehmen und uns schließlich noch einen schönen Abend gewünscht, als er nach einer Stunde aufgegeben hatte, uns doch noch mit frischen Kopien unserer weißen Blätter zu beglücken.

Manchmal gehen wir in Selbsthilfegruppen, um die Anwesenden durch extreme Behauptungen über ihre Probleme neu nachdenken zu lassen. Als wir einen Kreis kostverächtender Frutarier erklärten, dass wir nichts äßen, was einen Schatten wirft, trafen wir hinterher drei von ihnen bei McDonald’s wieder.

Manchmal kochen wir richtig fein, so mit Vorsuppe und Braten und zum Abschluß gibt’s Soufflé. Wenn der Braten im Ofen ist, bestellen wir eine Pizza, um dem Boten dann einen Platz an unserer Tafel anbieten zu können, damit er daran erinnert wird, dass man sich auch gut ernähren kann. Angenommen hat unsere Einladung leider noch keiner, einer wollte nicht einmal mehr das Geld für die Pizza haben. »Wer hat dem denn auf die Salami gespuckt?« entfuhr es mir, doch sie sagte nur: »Eher schon ins Gesicht, meinst du nicht?«

Manchen Leuten muss man aber auch mitunter ins Gesicht spucken, damit sie merken, dass sie noch am Leben sind. Natürlich geht das nicht so ohne weiteres, es gibt auch nur wenige Menschen, denen das gefallen würde. Es ist sowieso gar nicht so leicht, jemandem richtig in die Fresse zu rotzen, das meiste geht ja doch daneben. Unsere Kunst besteht ohnehin eher darin, anderen ins Gesicht zu spucken, ohne dass sie das merken, jedenfalls nicht sofort.