Ahne: Die mittlere Lebenskrise

Mit 40 ist das Leben ganz schön hart. Man bemerkt die ersten Falten am Sack, schläft öfter ein und wacht noch viel öfter auf, selbst in der Nacht. Man beginnt sich Gedanken zu machen, sorgt vor, für die Zukunft. Man geht arbeiten, jetzt, mit 40. Damit man Geld verdient, damit man sich mal ein paar Sachen kaufen kann, die einen über die verlorene Jugend hinwegtrösten können. Eine Hose, oder ein Auto.

Mit 40 Jahren, da fängt man an, sich ein Einfamilienhaus zu bauen, im Grünen. Für später und für‘s Wochenende und für wenn die Kinder mal groß sind. Man denkt nach über Kinder, mit 40. Dazu bräuchte man allerdings eine Frau. Vielleicht mal mit einer Annonce versuchen?

Man muss jetzt ein bisschen darauf achten, was man isst, mit 40. Schokolade ja, aber auch nur die aus dem Bio-Laden. Mit 40 überlegt man, wo eigentlich in dieser Gegend ein Bio-Laden ist, und ob das wirklich alles Idioten sind in diesen Fitness-Studios. Mit 40, da sitzt man in der Kneipe und freut sich über die Geschichten, die einem die Freunde erzählen, Anekdoten von früher, über die man sich früher immer so aufgeregt hat, und man fragt sich, ob die Freunde wirklich Freunde sind und warum man eigentlich, verdammt noch mal, nie eine Freundschaft gepflegt hat und ob man nun ein Alkoholproblem besitzt oder einfach nur gerne lebt und ob man dafür auf die Straße gegangen ist, ‘89, und ob das jetzt schon ein politischer Gedanke war, der einem in der beruflichen Karriere hinderlich sein könnte – aber man hat‘s ja auch nicht gesagt, und die Gedanken, die sind schließlich frei, und man will ja gar keine Gewalt.

Man will nur seine Ruhe. Und die Gewissheit, dass, wenn man alt ist, dass man dann sein Auskommen hat und nicht von irgendwelchen Almosen abhängig ist, von ›Brot für die Welt‹ oder wie das alles heißt. Man spendet jetzt sogar, mit 40, zumindest tut man die alten Kleider nicht mehr in den Müll, sondern in diese Tonne, die an der Kaufhalle immer steht, wo sich dann die Zigeuner alles wieder rausziehen, aber zum Wegwerfen waren die sowieso zu schade. Und es nervt einen zum ersten Mal die Musik von der Nachbarin. Wie die das immer fertig bringt? Ständig hat die ‘n andern. Dabei ist die auch nicht mehr die Jüngste und man hört auch schlechter, nur noch die Hälfte, und man versteht auch schlechter und man will auch mal zum Arzt gehen, aber das kostet und wo ist überhaupt einer, und man beginnt einen Ordner anzulegen, für Rechnungen, und man rechnet noch mal nach, in der Kaufhalle, wenn man den Kassenbon in der Hand hält. »Da stimmt doch was nicht, ich hatte doch gar keine zwei Käse? Ach doch.« Und man entschuldigt sich viel öfter, für alles entschuldigt man sich, selbst für Sachen, für die man sich nie und nimmer entschuldigen wollte, entschuldigt man sich. Man wird wunderlich, mit 40.

Man setzt sich eine Brille auf und schläft direkt ein. Man liest jemandem aus der Zeitung Artikel vor, welche diesen keinen Deut interessieren, ja, man guckt sich jetzt auch schon mal was Leichteres im Fernsehen an und regt sich über schmutzige Straßen auf. Mit 40, da will man plötzlich aus der Rolle fallen und lustig sein und jagt allen anderen damit höllische Schrecken in die Glieder. Man geht auch noch mal weg. Tanzen. Aber nicht dahin, wo es so eng ist. Und man hat sogar noch mal Sex, wie zu Ostzeiten fast, nur, dass man jetzt nach dem Zufrühkommen nicht noch mal kann.

Mit 40, da findet man dann auch endlich Gefallen daran, in der Abendsonne auf einer Parkbank zu sitzen und Kindern mit dem Spazierstock Beine zu stellen und die dann auszuschimpfen, hinterher, falls sie verwundert gucken sollten jedenfalls.

Mit 40, da schaut man sich dann an und lächelt über den gelungenen Spaß. Mit 40, ....ach nein, das war ja erst mit 80, Tschuldigung.