Nils Heinrich: Wenn Sachen Sachen machen

Was mich nervös macht, sind Türen. Glastüren, die sich plötzlich öffnen, machen mich nervös. Im ICE, in der Einkaufsstraße, auf einem Amt. Zischend gehen die Türen auf. Keiner weiß warum, hat irgendwer erfunden. Tretroller für Erwachsene hat ja auch mal irgendwer erfunden. Oder elektrische Pfeffermühlen mit einer eingebauten Taschenlampe, die die Tomate anleuchtet, wenn sie Pfeffer drauf mahlt. Es werden nun mal viele bescheuerte Sachen erfunden. Damit die Leute sagen können: »Guck ma, ick hab hier ne Taschenlampe, die kann Pfeffer mahlen. Gab’s bei Plus für nur 4 Euro 99! Zusammen mit, pass uff, der SALZMÜHLE! Ja, ich mahle mein Salz. Früher in den schlimmen Zeiten musste ich das Salz noch streuen, aber jetzt geht’s mir besser, ich MAHLE mein Salz! Und zwar mit Licht! Damit die Tomate weiß: ›Ah, da ist das berühmte Licht, da fallen Salz und Pfeffer raus und gleich geht’s ab!‹« Und nach der Verdauung denken die Reste der Tomate, sie sind Jesus und erleben gerade ihre Wiederauferstehung. Dabei ist das über ihnen kein Heiligenschein, sondern eine beleuchtete Klobrille. Ja, es gibt auch beleuchtete Klobrillen. Da sind Dioden drin, die von Batterien gespeist werden.

»Oh, ich muss unbedingt noch Batterien kaufen!« – »Wofür? Für Deinen Fotoapparat?« – »Nein, für meine Klobrille, die ist nämlich BELEUCHTET, damit sich mein Popo einbilden kann, er wäre der Vollmond!«

Sind die Zeiten so finster, oder warum sind die Produkte jetzt alle beleuchtet?

Aber zurück zu den Türen, die immer neben mir aufgehen. Ich geh einfach nur an so einem Laden vorbei, was weiß ich, so ein Laden für Anziehzeugs halt, Oberkörperbedarf, Metrosexuellentuning, irgend so was. Ich geh vorbei, ich will nicht rein, aber die Tür geht auf! Warum? Warum zischt sie mich an? Ich spüre dann auch immer so ein Saugen am Oberarm, am linken oder rechten Oberarm, je nachdem, auf welcher Seite das Geschäft an mir saugt. Das Saugen kommt aus dem Laden raus.

Was soll das? Wenn ich mal so in einer Straße stehe und an mir läuft einer vorbei, da reiß ich mir doch auch nicht die Jacke auf und zische dazu. Und ich sauge auch nicht an dem.

Und dann immer diese Scheißmusik, die da aus diesen Läden für Metrosexuellentuning rauskommt, wenn die Tür aufgeht. Wenn an meiner Wohnung jemand vorbeiläuft, dann reiße ich doch auch nicht mein Fenster auf und sage dem: »Ey Du, hör mal her, ich hab hier so richtig olle Scheißmusik. Komm rein in meine Scheißmusikbude, dann zeig ich Dir mal meine Scheißklamotten in meinem Scheißkleiderschrank! Warum stehst Du denn immer noch draußen? Ach so, ich habe noch nicht gezischt? Hier: ›Tssss!‹ Kommste rein jetzt, oder was? Oder muss ich erst an Dir saugen?«

Illustration: Elke Pollack

Mache ich das? Nee, das mach ich nicht. Warum machen die das dann? Das macht mich nervös! Ich kann nicht mehr durch die Stadt gehen, ohne dass ich nervös zucke. Ständig öffnen sich Türen.

Ich gehe jetzt lieber sonntags in die Stadt. Sonntags ist es schön, denn da haben die Geschäfte zu! Man wird nicht angezischt. Keiner saugt an einem. Und die Scheißmusik kommt am Sonntag in der Stadt höchstens aus einer Drehorgel, an der so ein Typ dreht, der als Kind zu lange mit einer antiken Kaffeemühle gespielt hat. Apropos Kaffeemühle. Das bringt mich wieder zur elektrischen Salzmühle. Die vibriert genauso wie mein Handy. Und das macht mich nervös! Vibrationsalarm ist der größte Unsinn unter der Sonne! Es soll klingeln, aber gleichzeitig auch wieder nicht klingeln. Das ist Waldorfunsinn. Das ist Kompromissquatsch. Das ist »Tanze den Klingelton«.

So ein vibrierendes Handy auf dem harten Holz eines Nachttischs ist Autoscooter für Ameisen! Bettwanzenkirmes! Kein Ersatz für echtes, schönes herbes, kerniges Klingeln! Vibrationsalarm macht krank. Ich spüre manchmal schon ein Phantomvibrieren in der Hosentasche. Dann denke ich, mich ruft gerade einer an, und fasse mir an die Hose, was aussieht, als will ich checken, ob meine beiden Erbgutbällchen noch da sind. Und dann hol ich das Handy raus und: es hat mich gar keiner angerufen. Aber dabei hab ich doch deutlich gespürt, wie die Hose gewackelt hat! Ist das nicht krank? Übrigens: wenn so ein Handy beim Vibrieren über den Nachtschrank robbt, dann ist es gar nicht mehr so leise, wie es mit dem Vibrationsalarm eigentlich sein sollte. Nein, es macht einen Höllenlärm! Es klingt so, als ob direkt neben dir ein kleiner Hobbit mit Verdauungsproblemen einen Hosenmörser zündet. Wer will sich denn von so einem kranken Sound wecken lassen? Ich nicht!

Und darum wickle ich mein Handy jetzt immer in eine Mullbinde. Die Mullbinde stecke ich in eine Socke und die Socke in einen Scheuerlappen und den Scheuerlappen in einen Schuh. Den Schuh muss ich dann zwar immer überall suchen, weil er wegen der Handyvibration durch die ganze Wohnung gelaufen ist, aber das ist nicht schlimm. Solang er ins Schlafzimmer nicht reinkommt, weil ich die Tür zugeschlossen habe, hab ich meine Ruhe. Vibrationsalarm! Wer hat diesen Mist erfunden? Wozu brauch ich das? So ein Handy soll klingeln, und keine Rubbellose frei rubbeln. Im Lottoladen. Toll. Ein Telefon, das spielsüchtig werden kann! Das kann doch auch massieren, oder? Ich bin so doll verspannt. Vielleicht sollte ich mir das Handy mal auf den Rücken legen und mich anrufen? Vielleicht knetet mich das Teil ja noch besser durch als meine Freundin. Und die ist Metzgerin! Wenn die ein Schnitzel verprügelt, kriegt das danach Asyl in jedem Frauenhaus!

Zischende Türen und beleuchtete Produkte und vibrierende Handys zusammen sind übrigens nur halb so schlimm wie Bionadetrinker. Das sind welche! Denen kannst du alles verkaufen. Die finden sogar Hannover gut! Ja, warum heißt denn die Bionade Bionade? Weil der Zucker darin biologisch angebaut ist. Ja, da ist Zucker drin. Böser Zucker! Keine Süße aus Früchten, sondern ZUCKER! Viel Zucker. Denn die Flüssigkeit in der Bionade wär sonst hochgradig sauer.

Diese Flüssigkeit ist nämlich abgelaufener, saurer Raketentreibstoff von der NASA. Wir sollen das Zeug nur trinken, damit wir weiterhin an die Mondlandung glauben! Aber die fand nie statt. Auf dem Mond kann man gar nicht landen. Denn der Mond ist nur eine an den Himmel gebeamte Werbekampagne der ›Beleuchtete Klobrillenindustrie‹! Denkt mal drüber nach, beim Salzmahlen.