Marcus Hammerschmitt: Das Leben der Reisenden

Seit ich ein Pferd bin, ist alles ein wenig leichter. Das Leben der Reisenden ist ein melancholisches. Man wacht morgens im Hotel auf und findet sich schon entsetzt. Es ist der Abreisetag. Man soll sich bald freundlich entfernen, zum Geklingel der Eimer auf dem Gang: die Reinemachefrauen! Noch einmal umdrehen, um wie ein Brathähnchen im Sud der eigenen Träume zu garen, ist jetzt einfach nicht drin. Also linksfüßiges Erwachen trotz Heilschlaf. Beim Zurückziehen der Vorhänge stellt man fest: Man befindet sich in Sachsen. Ein seltsamer Kummer senkt sich nieder, als hätte er auf die Gelegenheit gewartet. Duschen im Hotel heißt immer, sich nackt im Feindgebiet bewegen. Dennoch, warmes Wasser hilft. Frühstück. Unter Umständen sind die Brötchen voller Zähne, man hat die experimentelle Charge erwischt. Aus der Küche kommt ein Pfeifen: Der sächsische Koch und seine drei Gehilfen schleifen die Messer stumpf. Handkantenschlag: Das Croissant zerspritzt wie eine Mine. Hinauf ins Zimmer, hinauf, hinauf! Ist auch alles gepackt? Man betastet vorsichtig die eigenen Sachen, ob sie einem auch noch gehören. Alle Schubladen sind leer. Der Schrank ist so leer, dass man das erste Mal auf den Gedanken kommt, einen Kleiderbügel zu stehlen. An der Rezeption sagt man mit einem Hauch des Bedauerns und einem leichten russischen Akzent: »Ich verlasse Sie.« Das freut die Bediensteten, die aus Bayern stammen oder aus Husum. Dann gelingt einem die Heimfahrt, obwohl im deutsch-deutschen Grenzgebiet mehr Schnee liegt, als jemals im August. Man kann das nicht abschätzen. Aber es macht nichts. Dies ist das harte Leben der Reisenden. Aber seit ich ein Pferd bin, ist alles ein wenig leichter.