Sarah Schmidt: Mit Vögeln bin ich durch

I

Ich weiß wirklich nicht warum, doch es ist eine Tatsache, die ich einfach nicht länger ignorieren kann: Vögel können mich nicht leiden! Katzen, diese dummen, haarende Dinger, die springen sofort auf meinen Schoß, obwohl ich das nicht will. Deren Besitzer meinen, Katzen würden die Spannung mögen, wenn man nicht bereit ist, sie toll zu finden, und gehen deswegen am liebsten zu Menschen, die nicht viel von ihnen halten. Auch eine Form des Masochismus, ähnlich wie Frauen sich am liebsten in Männer verlieben, die sie nicht zu schätzen wissen.

Und Hunde, die gehen sowieso zu jedem, das hat nichts mit Sympathie zu tun, die können nicht anders, als auf jeden zuzulaufen, mit dem Schwanz wedeln und um Anerkennung buhlen. Vermutlich schämen sie die Hunde dafür, aber es ist ihr innerer Zwang. Sehen sie einen Menschen, sind sie nicht mehr sie selber, sondern agieren willenlos und wie fremdgesteuert. Ihnen läuft der Sabber aus dem Mund und sie müssen lostänzeln und versuchen so, sich an jeden Menschen ranzumachen. Da sind sie wie Männer. Die können auch nicht anders. Wenn sie eine Frau sehen, läuft der Sabber und sie fangen an zu wedeln. Das ist einfach so und wir Frauen sollten die Männer deshalb nicht auslachen.

Katzen sind also masochistisch, Hunde haben einen pathologischen Zwangscharakter und Vögel können mich nicht leiden. Ich weiß es schon seit langem, aber nichts würde mich mehr freuen, als wenn die gefiederten Genossen meine Freunde wären.

Ein Beispiel: Ich habe für viele Euros Vogelfutter gekauft. Kleine Bällchen mit Körnern, Samen und Fett, die in grüne Plastiknetze eingewickelt sind, hängen an allen meinen Fenstern. Unangetastet. Ich hatte mir das so schön und romantisch vorgestellt. Morgens die Augen aufschlagen, Blick zu meinem Hinterhof, in dem zwei Kastanien und eine Brandwand stehen, und an den grünen Bällchen hängen Meisen oder Finken oder Sperlinge rum und frühstücken. Von wegen. Ein einziges Mal pickte ein verwahrloster Spatz daran herum, warf die Körner danach auf die Fensterbank und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Gut, dachte ich mir, die Berliner Vögel sind pfiffig, die wissen natürlich von Rinderwahn und Schweinepest, wollen sich damit nicht anstecken und mögen es nicht, dass diese Samen in Talg eingelegt sind.

So gut versuche ich über die Vögel zu denken! Also kaufte ich Trockenfutter und streute es auf meine Blumenkästen. Hielt es frei von Schnee und Feuchtigkeit. Nichts. Daraufhin bastelte ich ein großes Schild, das ich an die Balkonbrüstung nagelte: »Heute alles umsonst! Bitte bedienen Sie sich!« Aber nein. Obwohl ich solche Achtung vor den Piepmätzen hatte, dass ich sie wie selbstverständlich siezte.

Ich erkundigte mich hier und dort und kehrte dann zum Knödel zurück. Diesmal aber in der BMW-Ausführung. Eine 5-er Knödelkette. Sonnenblumenknödel, darüber Erdnüsse, einen Talgkloß, eine bunte Mischung und zu guter Letzt Hanfsamen. Still und jungfräulich wehten die Bollen seitdem sanft im Wind.

Ich griff zu meiner letzten Waffe. Dachte mir, die Kreuzberger Vögel sind durch ihr Umfeld intellektuell gebildet. Das musste ich berücksichtigen. Also kaufte ich den I-Pod unter dem Vogelfutter, eine Kokosnuss, in die drei Öffnungen von kleinen asiatischen Händen hineingenagt wurden, um sie mit feinstem Biofutter zu füllen. Ich wählte den perfekten Platz mit Hilfe eines Feng-Shui-Meisters aus und wartete. Stunden, Tage, Wochen saß ich unbeweglich auf meinem Sofa, ich wollte schließlich niemanden erschrecken. Sinnlos.

Illustration: Flix

Im Januar fing ich dann langsam an, wütend zu werden. In meiner Phantasie sah ich die schwere Nuss in meiner Hand, um sie dem nächstbesten Vogel an den Kopf zu werfen. Werden schon sehen, was sie davon haben. Ich beschloss, noch eine Woche zu warten, und wenn dann immer noch alle Knödel, Körner, Nüsse und Sämereien unberührt sind, würde ich aufgeben. Zehn Tage später packte ich alles ein. Ich lass mich doch nicht von Vögeln an der Nase herumführen. Ich verschenkte alles an einen Steglitzer Gartenbesitzer.

II

Ich bin schon von Schwänen gebissen worden, mir haben Möwen in den Halsausschnitt gekackt und einmal stand ich an einer Haustür, klingelte und wartete auf den Summer, als zehn Zentimeter neben mir eine Taube tot vom Dach des fünfstöckigen Hauses fiel.

Eine andere Taube flog einmal durch das Oberlicht meiner Doppelküchenfenster. Durch das geschlossene natürlich. Ich kochte mir eben ein Hühnerfrikassee, als ein furchtbarer Knall die Wohnung erschütterte. Das Frikassee, ich und die gesamte Küche waren übersät mit Glassplittern. Dazwischen Blutspuren und eine hysterische Taube, die auf dem Küchenboden saß. Ich rannte ebenso hysterisch aus der Küche und rief bei einem Tierarzt an.

»Guten Tag, eine Taube ist durch mein Fenster geflogen und sitzt jetzt sicher schwer verletzt in meiner Küche.« – »Ob ich versucht habe, sie zu töten? Nein, wie kommen Sie darauf?« – »Ach, weil ich meine, die ist verletzt? Nein, sie ist ja durch die Fenster geflogen.« – »Das ist nicht ungewöhnlich? Sie ist aber durch das geschlossene Fenster geflogen.« – »Ja! Ja, wirklich. Durch zwei Fenster sogar.« – »Nein, ich spinne nicht.« – »Nein, ich lüge nicht!«- »Nein, ich buhle nicht um Aufmerksamkeit, indem ich Witzanrufe mache. Und, nein, ich werde nicht einfach ausziehen. Ach, lecken Sie mich doch am Arsch!«

Zwei Stunden später hatte ein herbeieilender Freund die Taube aus dem mittlerweile geöffneten Fenstern gescheucht und ich konnte die Küche wieder betreten.

Ein politisch motivierter Anschlag wegen des Frikassees war das meiner Meinung nach. Die Taube war Veganerin und erteilte mir eine Lektion, weil ich eine ihrer Genossinnen gekocht hatte.

Und nach all diesen Vorfällen bin ich überzeugt davon, dass Vögel eine scheinbar natürliche Abneigung gegen mich haben. Ich habe so lange versucht, sie umzustimmen, doch nein, sie sind sture, dickköpfige Wesen. Und jetzt soll ich Mitleid haben, weil sie ein Virus haben und sterben? Soll um tote, aber nichtsdestotrotz bösartige Schwäne trauern? Nö. Ich finde sogar, dass das ein kleines bisschen gerecht ist. Sie hätten mich einfach nicht so ignorieren sollen, dann wäre das mit der Vogelgrippe wahrscheinlich nicht passiert. Denn, wie heißt es: Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Das gilt auch für Vögel, da bin ich ganz sicher.