Spider: Schwanger

Wenn die Frau zickig ist, deutet dies auf eine Schwangerschaft hin. Gut, manch einer mag einwenden, dass ich mit dem Symptom Zickigkeit den Umstand Frau diagnostiziert habe und nicht die Schwangerschaft. Aber es gibt noch mehr Anzeichen.

 

»Meine Brüste sind größer geworden«, sagt sie, auf der Personenwaage stehend. Was steht die da auf der Waage? Das ist meine Waage, die hat sie mir zum Geburtstag geschenkt, die Waage. Das ist wieder mal typisch, sie schenkt mir Sachen, die sie dann selber benutzt. Aber die Schlagbohrmaschine, die meine Eltern ihr auf mein Anraten hin zu ihrem Geburtstag geschenkt haben, die liegt immer noch unausgepackt im Flur.

»Meine Brüste sind größer geworden.«

»Bist du sicher?«

»Ja, laut der Waage anderthalb Kilo.«

»Aber das müsste man doch sehen, drei Pfund mehr Brust.«

»Und wie erklärst du dir das sonst?«

Jetzt bloß nichts Falsches sagen: »Gehirnmasse, ich bin mir sicher, du hast an Gehirnmasse zugelegt. Das ist ganz normal, hab ich mal gelesen. Das passiert häufig, kurz bevor man eine Magisterarbeit schreibt.«

»Verarschen kann ich mich alleine!«

Ja, wenn die Frau zickig reagiert, deutet dies auf eine Schwangerschaft hin. Und wenn sie Geld ausgibt auch. Der Nestbautrieb. Ich weiß noch, wie das damals war, bei unserem ersten Kind. Plötzlich mussten Garderobenhaken her. Und Lampenschirme. Topfpflanzen. Edelstahlkochtöpfe, die dann kein Vierteljahr hielten. Ich war zum ersten und letzten Mal in meinem Leben bei IKEA.

Sie war schwanger und durfte nicht heben. Der Kumpel mit dem Auto hatte ein kaputtes Knie. Ich bekomme in Kaufhäusern immer Panikzustände. Wir waren ein perfektes Team. Ich fühlte mich wie ein GI im Dschungel, der Moskitos, Giftschlangen und dem Vietcong getrotzt hat, und der im nächsten Moment ein Dorf voller Zivilisten ausradieren wird, weil seine Nerven nicht mehr klarkommen, seit das Crack alle ist. Ein Kaufhaus für sinnlose Produkte, ich mittendrin, um mich herum der Bodensatz der Gesellschaft: also alle; und mit mir zwei Greenhorns, mit denen ich niemals lebend den Durchbruch durch die Frontlinien ins Hinterland schaffen würde. Ich habe noch Tage später am ganzen Leib gezittert.

Ich musste nie wieder mit zu IKEA und wurde trotzdem nie wieder der Alte. Fuhr sie eben mit ihrer Freundin Peggy. Sie wollte es eben schön haben. Ich sollte es auch schön haben. Unser Kind sollte es schön haben. Es war noch nicht geboren, da hatte es schon Tisch und Stühlchen, weil die so niedlich waren. Ich bekam eine Personenwaage. Keine Ahnung warum.

Jetzt steht sie auf meiner Waage und denkt nach: »Vielleicht bin ich schwanger.«

»Kann sein«, sage ich.

»Sag mal, hast du noch Geld?«

Eindeutig schwanger. Also bin ich pleite. Ich sage: »Ich bin pleite.« Ich mache den selben Fehler nicht zweimal. Auch nicht den mit der Tiefkühlpizza.

Im Kreißsaal damals, das war die Hölle. Ich musste die ganze Zeit nach dieser Tiefkühlpizza aufstoßen, die ich zuvor gegessen hatte. Schrecklich! Und sie kümmerte sich natürlich nur um ihre eigenen Probleme. Was machte ich da eigentlich? Scheiß Kreißsaal. Das nächste Mal leihe ich mir vorher einen Gameboy aus. Das nächste Mal.

»Nachher gibt es übrigens Eierkuchen«, sagt sie, »ich dachte, ich mach mal wieder Eierkuchen - mit Muscheln.«

Schwanger. Ich glaube, ich mache den Fehler doch wieder, den mit der Tiefkühlpizza, und ich mache ihn gleich nachher. Und den anderen auch, den anderen Fehler.

»Hier«, sage ich, und gebe ihr einen Fünfziger, »aber nicht wieder alles für Schwangerschaftstests ausgeben.«

Alte Fehler sind wie alter Wein: in erster Linie teuer. Aber man fährt schon aus Prestigegründen drauf ab. Immer wieder das Gleiche. Bloß zu IKEA, zu IKEA nehme ich dieses Mal genügend Munition mit.