Frank Sorge: Barkasse

Die Sparkasse ist meine Lieblingsbank. Nicht nur, weil es fast so viele Filialen wie Schleckermärkte in Berlin gibt. Nein, weil die Sparkasse die schönsten Briefe schickt: »Sehr geehrter Herr Sorge, mit Ihrem Studium legen Sie den Grundstein für eine Erfolg versprechende berufliche Zukunft!«

Zur zeit studiere ich Archäologie. Diesen Studiengang kennzeichnen nach eigener Beobachtung eher verschrobene, halbdisziplinierte Geduldsarbeiter mit Hang zu viel Rotwein und brauner, sachlicher Kleidung. Ich streite mich oft mit dem leeren Stuhl am Küchentisch darüber, ob die Beschreibung auf uns zutrifft. Aber selbst, wenn ich ordentlich Archäologie studiere, lege ich keinen Grundstein für eine erfolgreiche, berufliche Zukunft. Ich grabe Steine aus. Die waren vielleicht mal Grundsteine einer hoffnungsvollen Zukunft, jetzt sind es nur Scherben voller Schweiß, Blut, Tränen, Freuden, Zweifeln und Irrtümern der Geschichte, an die sich niemand mehr erinnert. Versteinertes Glück, zerwurmte Träume und tonnenweise Küchenabfälle. Liebe Sparkasse, Dein Optimismus ist herzzerreißend!

Für mich habt Ihr den »Sparkassen-Erfolgsplan für junge Erwachsene« entwickelt. Euer Beratungskonzept rund um meine finanzielle Zukunft. »Eine Beratung dauert nur 30 Minuten. Eine kurze halbe Stunde (danke für den Hinweis!), in der Sie alles über Geld, Konten, Karten, Versicherungen, Vorsorge und Vermögensaufbau erfahren. Wir freuen uns auf Sie! Frank Bernhardt, Leiter Privatkundenmarketing.«

Lieber Frank, erzählen Sie mir doch mal alles über Geld! Ich würde das gerne hören. Wie die Münzen und Schein aussehen, weiß ich, aber ab da ist mir vieles schleierhaft. Um ein unverfängliches Beispiel zu nehmen: Warum könnten die paar Hartz-IV-Dollar, die ein Sozialhilfeempfänger hier jetzt monatlich bekommen kann, für einen Bauern in Burundi schon ein guter Grundstein für eine Erfolg versprechende Zukunft sein?

Konten und Karten können wir auslassen, aber Vorsorge ist im Zusammenhang mit meinem Nachnamen auch ein spannendes Thema für mich: Was war Vor-Sorge, wer ist Für-Sorge und was wird Nach-Sorge sein? Ich gehe davon aus, es handelt sich hier um Versicherungen. Unfallversichert bin ich. Umfallversichert nicht, und wahrscheinlich schreib ich auch, bis ich tot umfalle. Rente? Geld auf sinkende Schiffe schmeißen? Ich hab doch nix.

Dann könnten wir noch länger über den letzten Punkt auf ihrer Liste reden: Vermögensaufbau. Da erwarte ich aber, dass Sie mir zum Thema Vermögensaufbau ehrliche Sachen sagen wie: »Dann setz dich mal auf den Hosenboden und verkauf was!« oder »Ich habe hier ein Angebot, das heißt 6 aus 49, hohes Risiko, zugegeben, aber lohnend, wenn…«

Illustration von CX Huth

Ihr habt mich schon oft überreden wollen, mein altes, komplett kostenloses Studentenkonto gegen ein modernes, teures StudentPlus auszutauschen. Mit dem einzigen Vorteil, ich bekäme dann eine Kreditkarte. Wenn es nur das ist, Obacht! Das haben schon ganz andere versucht! Zum Beispiel in Einkaufscentern. Junge Schwiegersöhne in blauen Anzügen, die Zeugen Jehovas der privaten Bankwirtschaft.

Lieber Frank Bernhardt und liebe Sparkasse, »Wir klären sie auf in nur 30 Minuten«? Glaub ich nicht, mach ich nicht! Aber schickt mir weiter schöne Briefe. In meinem Wohnzimmer hängt schon eine Postkarte neben dem Picasso – ach was, auf dem Picasso! – so sehr mag ich eure Post. Auf der Karte steht, vielleicht erinnert Ihr euch, sie lag einem Brief bei, der mich aufforderte, eine aktuelle Studienbescheinigungen bei Euch abzugeben, sie ist rot und hat große, weiße Schrift: »Glückwunsch. Noch ein Semester!«

Ich habe mich sehr gefreut. Viel Erfolg weiterhin und eine gesegnete berufliche Zukunft. Frank Sorge, Kunde.