Spider: Science Fiction

Nach einem komplizierten Klopfritual öffnet sich die unscheinbare Tür einen Spalt breit. Weit genug gerade, um mich durchzulassen, aber nicht so weit, dass sie Blicke auf den Türsteher oder gar ins Innere gewährt. Im Innern sieht es aus, wie in einem ganz normalen Hinterzimmer einer ganz normalen Kneipe und das ist es ja auch. Gemischte Gesellschaft, ein paar Tussis, ein paar Macker, nichts besonderes. Man trinkt Saft oder Kola, ein paar Machos nippen am alkoholfreien Bier. Ich gehe erst mal zum Automaten, werfe zehn Euro ein und ziehe mir eine von den Nichtraucherbroschüren. Sinnlos rausgeschmissenes Geld eigentlich, ich weiß, aber es ist nun mal so eine schlechte Angewohnheit, von der ich nicht loskomme. Das fing damals in den nuller Jahren an, mit diesen Warnhinweisen auf den Zigarettenschachteln – es gab damals noch Zigaretten –, und diese dicken fetten Warnhinweise machten leider, wie man später herausfand, abhängig. Ich bin heute bei ein bis eineinhalb Gesundheitsbroschüren täglich.

Ich schlendere zu einem der Tische und höre einer Uschi mit prallen Pickeln zu, die gerade die Filmhandlung von »Matrix – Teil 9« nacherzählt. Ich glaube, das ist nichts für mich. An einem anderen Tisch geht es um den Film »After Breakfast«, die Fortsetzung von »Before Lunch«. Klingt irre romantisch. Der dritte Tisch hechelt gerade diesen neuen amerikanischen Dokumentarfilm durch, wo es um die Machenschaften geht, mit denen George W. Bush seit sieben Jahren die Präsidentschaftswahlen blockiert. Die Typen an der Bar reden über »Herr der Ringe – die eigentlich nie geplanten Szenen«. Danach erzählt einer von diesem skandinavischen Dogmawestern, wo sie bei den Dreharbeiten wirklich so um die fünfzig Pferde und zweihundert Komparsen erschossen haben. Das ist mir nun wirklich zu intellektuell. Egal, selbst wenn mir gar kein Film gefällt, hat sich der Weg hierher gelohnt. Jetzt weiß ich nämlich, dass ich mir die dreißig Euro für eine Kinokarte auf jeden Fall sparen kann.

Illustration von CX Huth

Was hier abgeht, ist streng geheim, super verboten, weil hoch kriminell. Hier treffen sich Filmfreaks und erzählen sich einander die Filme. Heimlich. Das ist nämlich, wie gesagt, nicht erlaubt. Seit der jüngsten Gesetzesinitiative der Filmverleiher, ist das Weitererzählen von Filmhandlungen und -inhalten Diebstahl am geistigen Eigentum und wird mit Zuchthaus bestraft. Sie haben extra dafür eigene private Zuchthäuser gebaut, denn in den staatlichen Gefängnissen lag die Quote für Vergewaltigungen nicht hoch genug. Und gerade das hielten anfangs viele ja nur für einen Werbegag.

Man muss also vorsichtig sein. Ich bin immer vorsichtig, wenn ich hierher komme. Meine Frau traut sich so was längst nicht mehr, über Filme zu reden, seit sie neulich unsere Kinder abgeholt haben. Die hatten im Kindergarten über den Film »Fickt Nemo!« getratscht. Was richtig schlimm ist, jetzt haben sie uns deswegen auch noch das Kindergeld gestrichen. Der Fall war sogar in der Bildzeitung. Die Sachbearbeiterin des Bezirksamts hat dafür ein Bild-Bienchen bekommen, für vorbildlichen Umgang mit Sozialgeldern.

Ich trinke einen koffeinfreien Milchkaffee und höre den Gestalten zu, die über »Bonjour de Maiziere« reden, der Erfolgskomödie, in der sie einer herzkranken Frau vorspielen müssen, die deutsche Wiedervereinigung sei gar nicht rückgängig gemacht und die Mauer nicht wieder aufgebaut worden. Dann gehe ich, vorsichtig wie immer.

Draußen nieselt es. Trotzdem bleibe ich an der nächsten Ecke stehen und sehe dem Rollkommando der Hannelore Kohl-Stiftung zu, wie sie Kindern, die ohne Fahrradhelm unterwegs sind, die Schädel einschlagen. Verdammt harte Arbeit, sowas, und dabei ist es auch bloß so ein Ein-Euro-Job.