Daniel Klaus: Frühling mit Giraffen

Kathrin hatte schon vorher lange Haare gehabt, aber jetzt waren sie noch länger. Bei ihrem letzten Frisörbesuch hatte sie ihre Haare nicht schneiden, sondern verlängern lassen.

»Jetzt mach doch mal den Zopf auf«, sagte Nadine.

Wir saßen draußen vor dem Café Einstein, hatten eine Decke über den Knien und hielten unsere Gesichter in die Sonne. Kathrin zierte sich erst ein wenig, aber dann löste sie doch den Zopf, und ihre neuen Haare fielen ihr lang und weich den Rücken hinunter.

»Das sind bestimmt Schamhaare von Giraffen«, sagte Nadine, nachdem sie ein paar Strähnen in die Finger genommen und untersucht hatte.

»Giraffen haben überhaupt keine Schamhaare«, sagte Kathrin.

»Doch! Blonde, glatte Schamhaare. Und sie sind sehr lang. Genau wie die auf Deinem Kopf.«

Ich betrachtete Kathrins Haare. Mir gefielen sie. Wie Giraffenhaare sahen sie nicht gerade aus, allerdings war ich auch kein Experte auf diesem Gebiet. Ich hatte noch nie einer Giraffe zwischen die Beine geschaut.

»Kilimandscharo-Giraffen. Ganz sicher«, sagte Nadine. »Ich habe vor kurzem darüber einen Bericht im Weltspiegel gesehen.«

»Du spinnst doch. Auf dem Kilimandscharo liegt Schnee. Da leben keine Giraffen.«

»Giraffenschamhaare sind nichts Schlechtes«, sagte Nadine. »Das ist Topqualität. Die kann sich nicht jeder leisten.«

Nadine nippte an ihrem Milchkaffee. Kathrin betrachtete ihren Schatten, der vor ihr auf dem Boden saß wie ein anhängliches Haustier. Er hatte auch lange Haare. Mit einer Giraffe hatte er keine Ähnlichkeit.

Ich werde Frauen nie wirklich verstehen, dachte ich. Über was sie reden. Aber ich war froh, dass ich bei ihnen sitzen durfte. Ich lehnte mich zurück, blinzelte in die Sonne und freute mich über diesen milden Frühlingstag.