Theo Fuchs: Kleine Hygienefibel

Wie lief das wohl ab, als in grauer Vorzeit ein Vordenker der Hygiene-Idee den Merkreim erfand: »Nach dem Klo und vor dem Essen – Händewaschen nicht vergessen«? Da saßen gebildete Menschen zusammen, machten sich große Sorgen um die Volksgesundheit und waren sich bewusst, wie schwierig es war, die Gewohnheiten der einfachen Leuten aus dem Volk zu ändern, einem Volk, das damals ungebildet, stur und dumm war. Sie wussten, dass nur einfache Regeln, die jeder Idiot verstehen konnte, dass nur Merksprüche wie aus dem Konfirmandenunterricht helfen konnten.

Also begannen sie zu phantasieren:

  • Gesund bleibt - wer sich mit Händewaschen Zeit vertreibt

oder

  • Die gefährlichen Sachen – mit Wasser abmachen
  • Nur ein Tauber – hält die Hände nicht sauber
  • Hände waschen ist süß – Bakterien sind sauer
  • Herr Jesu mein – mach meine Hände rein
  • Hände, die nicht kleben – verlängern Dir das Leben

Das alles gefiel ihnen nicht, sie waren unzufrieden mit sich und ein wenig frustriert. Dann aber hatten sie den genialen Einfall: »Nach dem Klo und vor dem Essen…«

Das war‘s! So könnte es klappen, sie hatten keinen Zweifel mehr, es konnte gar nicht anders sein. Der Spruch war so narrensicher, dass eine Umsetzung im täglichen Leben nichts anderes als von Erfolg gekrönt sein konnte, – die Zukunft würde die überfällige Bestätigung mit Sicherheit liefern! Und so begannen sie, die kleine Regel zu verbreiten: zu Hause in ihren Familien, bei ihren Angestellten und Mitarbeitern, beim Kutscher und beim Metzger, auf dem Markt und im Rathaus. Ein weltweiter Siegeszug schloss sich an, und die Ergebnisse waren überwältigend – ins Bodenlose abstürzende Infektionsraten, eine um Jahrzehnte verlängerte Lebenserwartung, Überbevölkerung, Kriege um Land und Ressourcen, Hungersnöte und zusammenbrechende Sozialsysteme – und da sage noch einer, Lyrik sei nur eitler Zeitvertreib!