Kirsten Fuchs: Mein Freund wurde mal gefragt, ob ich schwierig bin.

Ob ich schwierig bin. Ob ich schwierig bin. Das muss man sich mal im Ohr zergehen lassen.

Bin ich ein Hund aus‘m Tierheim, der nicht allein zuhause gelassen werden kann? Der immerzu ‘ne Flechte an der Pfote hat? Für den man immerzu Salbe kaufen muss, die er dann ableckt, was dazu führt, dass er Bauchweh bekommt und sich die ganze Nacht winselnd erbricht? Ist deine Freundin schwierig in der Haltung? Ob ich schwierig bin?

Bin ich eine hochempfindliche subtropische Pflanze, die bei zu wenig Licht, zu viel Licht, zu wenig Wasser, zu viel Wasser, zu nah an der Heizung sofort eingeht? Die jeden Tag gedüngt werden muss, aber nur mit dem teuren Dünger, den man aus Übersee, nur mit dem Schiff, einfliegen lassen kann und der alle anderen Pflanzen im Umkreis von hundert Metern tötet? Ist deine Freundin schwierig in der Pflege? Ob ich schwierig bin?

Geh ich auf die Rütlischule und hab Migrationshintergrund? Werf‘ ich in der Stunde Stifte an die Tafel, spiel mit dem Mülleimer Fußball, gebe freche Widerworte und widersetz mich nachhaltig meiner Integration? Ist deine Freundin schwierig in der Erziehung?

Bin ich eine runtergewirtschaftete Kneipe? Schwierig, schwierig! Ein Kreuzworträtsel  ein Sodoku, eine Matheaufgabe? Schwierig, schwierig. Ein altes, unzuverlässiges Auto, mal springt es an, mal nicht? Schwierig, schwierig! Bin ich ein technisches Gerät, dessen Bedienung schwierig ist? Ich drucke immer das Falsche aus? Ich speichere im falschen Format? Mein Menü ist kompliziert aufgebaut? Schwierig, schwierig!

 

Klar, bin ich schwierig! Ich bin ja ein Mensch! Man kann schon allein daran erkennen, dass ich schwierig bin, dass ich mich so darüber aufrege, dass mein Freund gefragt wurde, ob ich schwierig bin. Das klingt so nach anstrengend, kompliziert, zickig, so nach Frau. Klar, bin ich schwierig, ich bin ja ‘ne Frau. Und klar bin ich gerade für meinen Freund schwierig. Der ist ja ein Mann. Der ist ja nur anders schwierig.

Ich bin seltsamerweise komisch und komischerweise seltsam. Ich bin schwierig, so wie alle, bemackt, so wie alle, eigenwillig, so wie alle. Wer das nicht ist, der ist doch erst recht schwierig, der reißt sich immer zusammen, beherrscht sich und implodiert immerzu. Der rastet irgendwann total aus, wo ich nur immerzu ein kleines bisschen ausraste. Ob ich schwierig bin?

Ich will halt Obst zum Frühstück. Sonst quengle ich den ganzen Tag. Das ist doch nicht schwierig. Wenn ich Obst bekomme, bin ich der fröhlichste und liebste Mensch von der ganzen Welt und auf der ganzen Welt. Das ist doch nicht schwierig. Das ist doch ganz einfach. Und ich will Honig zum Frühstück. Und meistens reicht es mir, dass Honig da ist. Ich muss ihn gar nicht essen. Er soll nur da sein.

Ich habe halt einen komplizierten Ablauf beim Essen zu bewältigen, damit am Ende der perfekte letzte Bissen zusammengestellt werden kann. Und wehe, wehe, wehe, irgendwer will was von mir kosten, zu einem Zeitpunkt, wo es die Planung meines letzten Bissens durcheinander bringen könnte. Zu Anfang des Essens gerne, nix dagegen, aber doch nicht am Ende des Essens, wo sich alles darauf zuspitzt, den letzten Bissen zusammenzustellen. Ich finde das nicht schwierig. Das ist doch logisch. Genauso wie, dass man zwei verschiedene Essen bestellt, wenn man Essen geht, denn falls mir mein Essen nicht schmeckt, dann will ich tauschen. Das ist doch logisch. Essen ist schwierig, aber ich doch nicht. Ich bekomme eben anfallartig Appetit und anfallartig Hunger. Das kann ich doch nicht zehn Minuten vorher wissen. Das ist eben plötzlich da. HUNGER! Hunger ist schwierig und Appetit erst. Wie soll man denn was anderes essen, als das, worauf man Appetit hat? Dann muss man eben mal ein bisschen weiter laufen und bei drei Restaurants auf die Karte kucken. Und wenn ich dann nölig werde, ist das doch nicht meine Schuld! Und wenn ich dann bekomme, was ich will, bin ich doch total glücklich und lieb. So glücklich und lieb ist niemand, der einfach alles frisst, weil er immer auf alles Appetit hat, weil er immer Hunger hat. Das ist doch nicht normal.

Es gibt halt Stellen in meiner Wohnung, die sind so gemeint, dass sie gut aussehen sollen. Wer da was hinlegt, der spielt mit seinem Leben. Das ist doch nicht schwierig. Das sag ich einmal scharf und noch einmal noch schärfer und ein nächstes Mal gibt es nicht. Diese Stellen sind wichtig, weil die ganze Wohnung zumüllen kann, aber nicht diese Stellen; weil sie mir anzeigen, dass meine Wohnung noch drei saubere, aufgeräumte, hübsche Stellen hat. Ich brauch die zum hinkucken und zum Selbstbetrug. Wer da was hinlegt, gefährdet meine innere Sicherheit. Meinetwegen ist das bescheuert, aber doch nicht schwierig. Das ist doch das Gegenteil – das ist doch ganz einfach!

Genauso wie ich nicht zweimal denselben Weg gehen will, hin und zurück. Da geh ich hin auf der einen Straßenseite und zurück auf der anderen.

Ich will ein rotes Feuerzeug, wenn ich Zigaretten in einer roten Packung habe, und ein blaues Feuerzeug, wenn ich Zigaretten in einer blauen Packung habe. Ich bin halt ein ästhetischer Mensch, aber kein Autist, ich schrei nicht, wenn ich mal ein lilanes Feuerzeug habe. Ich bin ja nicht schwierig!

Das Wetter ist halt mal so und mal so und ich auch. Das Wetter ist schwierig. Meine Haare sind halt mal so und mal so und darum ist meine Laune eben mal so und mal so. Wer noch nicht weiß, dass Frauenlaunen von Frauenhaaren abhängig sind, der kennt keine Frauen mit Haaren. Meine Haare sind schwierig, aber ich doch nicht. Ob ich schwierig bin? Ich bin allerhöchstens interessant.