Robert Rescue: Filmkritik modern

Wenn der DVD-Beileger einen guten Film verspricht, kaufe ich mir die AudioVideoFoto-BILD. Den Film schaue ich mir an und die Zeitung schmeiße ich ungelesen weg. Neulich aber blätterte ich mal die Kritiken zu den Neuerscheinungen durch und staunte nicht schlecht, dass die Redaktion jeden einzelnen Film bis zur letzten Minute nach verschiedenen Kategorien hin durchleuchtet und das Ergebnis als Info am Schluss der Filmkritik abdruckt.

Nehme ich mal als Beispiel den DVD-Beileger »The Score«, einen Film über Safe-Knacker, die gemeinsame Sache machen müssen wegen eines besonderen Auftrags, die aber alle eigentlich auf eigene Faust arbeiten wollen. Mit Robert de Niro und Marlon Brando unter der Regie von Frank Oz.

Die von AudioVideoFoto-BILD ermittelten Informationen sehen so aus:

Filmlänge: 119 Minuten

Davon sind: Action: 12 Minuten, Humor: 4 Minuten, Spannung: 47 Minuten, Erotik: 0 Minuten, Dialog: 41 Minuten und Sonstiges: 17 Minuten.

Daraus ergibt sich als Fazit: ein spannungsgeladener Film, in dem viel gequatscht wird, Erotik Mangelware ist und der Humor zu kurz kommt.

 

Wie aber sieht die Arbeit der Redakteure aus? Schauen wir uns das mal anhand eines ganz anderen Films an:

Wir schreiben die achte Filmminute.

»Da sieh mal. Der Held zückt die Pistole aus dem Holster. Jetzt hält er sie in Richtung der Frau, die nackt ist. Das ist eindeutig Action mit Erotikbezug.«

»Aber die nackte Frau sieht man nicht einmal zwei Sekunden lang und auch noch unscharf. Das ist mir zu wenig Erotik. Ich würde die Szene eher unter Spannung einordnen, weil ja nicht klar ist, was der Held mit der Pistole vorhat.«

»Das ist doch logisch. Er will die Frau erschießen.«

»Wer weiß? Vielleicht hat er ja was anderes mit der Pistole vor? Vielleicht bedroht er sie nur, weil er Information von ihr will.«

»Also danach sieht mir das nicht aus.«

»Schau doch mal seinen Gesichtsausdruck an und wie er da steht. Ich sage dir was: Ich arbeite jetzt seit 15 Jahren bei diesem Verlag und ich habe schon eine Menge solcher Szenen gesehen. Das ist eindeutig eindeutig.«

»Ich sage mal einen Kompromiss an. Lass uns eine Minute weiterschauen und dann bewerten wir die Szene, okay?«

 

»Hmh, hätte ich mir denken können. Das habe ich schon tausendmal gesehen. Der Held schaut genauer hin und erkennt seine Freundin wieder. Sie schaut genauer hin und erkennt ihren Freund wieder. Also ich finde, daran jetzt weder etwas spannend noch erotisch und von Action weit und breit keine Spur. Schau mal, jetzt gucken sie auch noch überrascht. Gleich kommt von beiden bestimmt noch ein ›Du?‹. Ich würde vorschlagen, wir packen die acht Sekunden in die Rubrik ›Dialoge‹.«

»Ich bin für ›Action‹. Ich denke, selbst wenn er sie bedroht hätte, um Information zu erhalten, dann hätte er sie danach erschossen. Das tut man nämlich üblicherweise so.«

»Schau mal an, die kommen ohne Dialog aus. Sie rennt in die eine Richtung und er in eine andere. Ich hätte da einen Vorschlag. Wir packen drei Sekunden in die Rubrik ›Spannung‹, weil er die Pistole zieht, drei Sekunden in die Rubrik ›Action‹, für die Möglichkeit, dass er sie nicht erst bedroht, sondern gleich erschießt, und die restlichen zwei Sekunden ordnen wir der Rubrik ›Humor‹ zu, weil niemand damit rechnen kann, dass sie voneinander weglaufen.«

»Wir könnten die ganze Minute auch einfach unter ›Sonstiges‹ verbuchen.«

»Einverstanden. Wie lange läuft der Film eigentlich noch?«

»100 Minuten. Wir haben noch keine neun davon hinter uns.«