Daniela Böhle: Wäre ich Asiatin, könnte ich sie wenigstens essen

Dienstags im Grunewald am Hundesee, unterwegs mit einer Bekannten, die Hunde toll findet, bescheuert bin ich, dass ich mich darauf eingelassen habe, aber jetzt ist es zu spät, unsere Kinder haben einander gern und meine Bekannte hat Hunde gern, die Kinder haben Hunde auch gern, Kinder wissen es noch nicht besser, dafür aber diese Frau, die Mutter des Freundes meines Sohnes, alle minderjährig, auch diese Bekannte, zumindest mental, mental minderjährig sitzt sie auf der Decke, auf der auch ich sitze, wir gucken unseren Kindern zu, die im Wasser toben und um uns herum nur verdammte Köter und ich ohne Waffe.

Aus der Zeit, als auch ich noch minderjährig war und im Tierheim geholfen habe, Abteilung Hunde, heute entsetzt mich das, aber damals wusste auch ich es nicht besser, aus der Zeit damals kenne ich noch alle Hunderassen mit Namen, ich erkenne sie und weiß sogar noch, was für Charaktereigenschaften die Scheißviecher haben, der Cockerspaniel, der sich über meine Cracker hermachen will, der hört einen Scheißdreck auf die Frau, mit der er gekommen ist, und ich erinnere mich, Cockerspaniels tun das nie, aber dafür sind sie doch so süß, und der Labrador klaubt den Plastiklöwen meines Sohnes aus dem Wasser, das ihm bis zu den Knöcheln geht, dem Plastiklöwen und dem Labrador, ich schreie und bin kurz versucht, den Cockerspaniel nach ihm zu werfen, aber da ranzt ihn schon der Mann an, der Mann von dem Labrador, der lässt den Löwen fallen und alle finden das putzig.

Ein Beagle wandert vorbei, der niemandem zugeordnet werden kann, niemandem, der ihm neckisch Gummibälle ins Wasser wirft, eine Frau turtelt mit ihrem Irish Setter, von denen es so viele gibt wie Golden Retriever, turtelt, nein, nein, mein Schatz, das sagt sie wirklich, wenn ich dir den Ball gebe, dann lässt du ihn doch nur irgendwo liegen, das sagt sie mehrmals, bis sie sicher ist, dass er sie verstanden hat, was für eine perfide Idee, einen Hundespielball mitzunehmen, den man dem Hund aber nicht gibt, weil er ihn nur liegen lässt, ich nehme an, die Frau hat auch Kinder, mit denen sie die gleichen sadistischen Spiele macht, nur dass es mir bei dem Hund nichts ausmacht.

Stunden später, so kommt es mir vor, ich stinke am ganzen Körper nach Hund, weil sich ständig so ein Drecksvieh neben uns schüttelt, wie konnte ich mich auf diesen Mist hier einlassen, die Menschen zu den Hunden sagen dann immer, nicht Janine, nicht Paule, nicht Max, aber Janine, Paule und Max interessiert das natürlich nicht, die wollen sich neben mir schütteln, komme was mag, unbedingt neben mir, weil ich so schön angewidert gucke und ihnen so entgeistert Drohungen zurufe, hau ab, rufe ich, hau bloß ab, wehe du schüttelst dich, rufe ich, und dann tun sie es trotzdem oder gerade deswegen, so viel Theater kriegen sie sonst nie, und ich bin längst jenseits der Grenze zu heulen, wenn ich hätte heulen wollen, hätte ich das vor Stunden schon tun sollen, jetzt ist es irgendwie zu spät, und immer kommt ein neues Vieh, das sich schüttelt und Cracker haben will, Stunden später also kommt eine Frau und fragt nach dem Beagle. Meine Bekannte sagt, der ist hier vorbeigekommen, ist schon länger her (ich rede nicht mit Menschen, die Hunde besitzen) und zu mir sagt sie, Beagle sind so, sie wird ihn schon wiederfinden – als ob ich deswegen besorgt wäre.

Macht man Politik und will man ein Gesetz gegen Hunde durchsetzen, ob es nun Kampfhunde betrifft oder Hundehaufen, da muss man sich warm anziehen, Leute mit Hunden sind nicht zimperlich, die schicken Morddrohungen und man tut gut daran, die auch ernst zu nehmen. Denen sind ihre Hunde wichtiger als ein Menschenleben und vielleicht haben sie ja Recht damit und die Welt wäre besser, wenn es nur Hunde gäbe und keine Menschen und das große Problem sind natürlich die Menschen der Hunde und nicht die Hunde selbst, aber das lässt sich schwierig denken, wenn gerade ein Hund neben einen kackt.

Als wir endlich gehen, die Kinder sind glücklich und die Bekannte auch, weil sie so viele Hunde gesehen hat, das würde ich besser verstehen, wenn sie Asiatin wäre und Hunde gerne äße, dann wäre das so wie wenn ich gern in Kochbüchern blättere, als wir also endlich gehen und ich mich toll altruistisch fühle, immerhin das, als wir also gehen, kommen wir an einer Familie vorbei, deren Kleinkind gerade die Hose runtergelassen hat und an einen Baumstumpf pinkelt und deren Hund, ein Golden Retriever, genau in diesem Moment an eben diesem Baumstumpf schnüffeln will, ausgerechnet, und der Junge pinkelt den Hund total voll, er hat eine größere Blase als ein Erwachsener und der Hund lässt sich den Kopf richtig schön einpinkeln und dann läuft er auf mich zu, der Hund, ganz zielgerichtet, und will seinen Kopf an meinem Bein reiben und ich schreie ihn an, weg! Du bist total eingepinkelt! schreie ich und werde nun ja vermutlich so etwas wie hysterisch und der Hund dreht tatsächlich ab und reibt seinen Kopf an der Mutter der Familie, und unsere Blicke begegnen sich.

Eine Verrückte, denkt sie, und ich denke so etwas wie heiliger Bimbam, ihr Bein ist voller Kinderpisse und ihr Hund ist voller Kinderpisse und sie tut so, als wäre das das Normalste der Welt.

In meinem nächsten Leben will ich ein Hund werden, ein Hund von solchen Menschen, die alles erdulden, und ab und an dann einen neurotischen Menschen wie mich treffen, damit das Leben nicht so langweilig ist.