Peter Janicki: Die Fünf Freunde und Ich

»Denn Abenteuer kommen immer zu Abenteurern«, das ist aus dem Abspann der ganz alten Fünf-Freunde-Hörspiele und sollte wohl dem Hörer versichern, dass dies nicht das letzte der Abenteuer der Fünf Freunde war. Mich zog das schon immer runter, denn so Abenteuer, wie die Fünf Freunde sie erlebten, erlebte ich nicht.

Keine Entführungen, keine unheimlichen Moore, keine Felseninsel, keine Geheimgänge in unserer Wohnung. Und mein Vater war ein langweiliger Laborleiter und kein halbverrückter Wissenschaftler. Das einzig Positive, was ich aus dem Vergleich »Fünf Freunde vs. Peter« ziehen konnte, war, dass wir keinen Hund hatten. Ich mochte Hunde nämlich nicht besonders.

So dachte ich denn, bis noch neulich, dass, wenn ich bisher noch keine Abenteuer erlebt habe, dann werde ich wohl auch nicht mehr zu einem Abenteurer. Denn, bestimmt ist das mit dem Abenteurer-Sein, so, wie es auch mit‘m Sport ist, mit der Musik oder mit Schach spielen: Wenn man nicht in früher Jugend damit anfängt, dann wird das nichts mehr; jedenfalls nichts Richtiges, dann ist der Zug abgefahren.

Neulich allerdings, bin ich wieder von Marburg nach Frankfurt Zug gefahren, zur Arbeit, und als ich im Zug saß, fiel mir ein, dass ich nicht wusste, ob meine Fahrkarte hier gültig war. Regionalexpress oder Intercity? Intercity braucht einen Zuschlag: War das ein Intercity? Ich hatte keine Lust, mich auf dem Klo einzusperren, das bringt vielleicht auch nix, und ich hatte auch keine Lust, an der Klotür ein Schild »Toilette defekt - Bitte nicht klopfen« anzubringen.

Ich stellte ferner fest, dass ich nicht genug Geld hatte, um den Aufpreis zu bezahlen, und das hieße, eine Strafgebühr wäre fällig, dann würde das Geld, was ich in Frankfurt verdiene, grad so reichen, um die Fahrt zu bezahlen. Ich war sauer und stinkig und überdies beleidigt. Blöde Situation. Ich hatte keine Lust, mich zu bewegen oder irgendwie aktiv zu werden, und deswegen blieb ich sitzen.

Letztlich kam einfach kein Schaffner. Aber es war ein Intercity und ich war also schwarz gefahren. Dies erzählte ich dann meinem Chef, und erst als er sagte: »Is ja‘n Ding, hast du ja ein Abenteuer erlebt!«, fiel mir auf, dass ich ein Abenteuer erlebt hatte. Irgendwie machte mich das natürlich stolz – Peter: ein Abenteurer! Ich sagte mir das einige Male vor und ließ es mir auf der Zunge zergehen. Ein Abenteurer!

Illustration von CX Huth

Dann dachte ich zurück und stellte fest, dass ich auf Abenteuer so überhaupt nicht scharf war. Abenteurer klingt gut, aber Abenteuer sind anstrengend, sie kosten Geld, nervenaufreibend sind sie, und auf Dauer bestimmt nicht gut für die Gesundheit, und dann kriegt man Magenbeschwerden und für‘s Aussehen ist das bestimmt auch nicht gut.

Einerseits galt jetzt also, dass ich ein Abenteurer war, mir so was hinfort immer wieder passieren könnte, andererseits wollte ich so was aber gar nicht. Plötzlich hatte ich ein wenig Angst vor der Zukunft. Würden mir jetzt fortlaufend irgendwelche Abenteuer passieren? Mein ruhiges Leben könnte aus den Fugen geraten. Wer weiß, was jetzt alles auf mich hereinstürzen würde!?

Dies beschäftigte mich, als ich auf den Zug zurück nach Marburg wartete, und ich zog mir zur Beruhigung eine Tafel Schokolade aus dem Automaten. Als ich dann wieder im Zug saß, fiel mir auf, dass es keine Vollmilchschokolade war. Es handelte sich um Vollmilch mit Kakaokernsplittern. Das hatte ich noch nie gegessen. Aber dann dachte ich mir, dass ich ja jetzt ein Abenteurer war, und damit hat man ja auch eine gewisse Verpflichtung – auch dem Schicksal gegenüber – und dann biss ich ein kleines Stückchen ab. Abenteuer kommen schließlich immer zu Abenteurern.